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Industriefassade Schallschutz
6 Minuten min

Dämmung Industriefassaden: Neue Herausforderungen bei Brand- und Schallschutz

Seit Jahren bewährt sich der Stahlleichtbau als Konstruktionsweise im klassischen Industriebau. Die Gründe: Hallenfassaden und -dächer können schnell und wirtschaftlich errichtet werden. Doch rechnet die Branche künftig mit steigenden bauphysikalischen Herausforderungen, denen sie insbesondere durch die Wahl geeigneter Dämmsysteme begegnen kann.

Nicht nur die Klimaschutzdebatte lässt die Anforderungen an den Wärmeschutz im Industriebau wachsen. Durch die Wohnraumverdichtung ist in vielen  Regionen zu beobachten, dass Wohnviertel immer näher an Industriegebiete  „heranrücken“. Daraus entstehen für produzierende Unternehmen neue Anforderungen in Hinblick auf den Brand- und Schallschutz. Gefragt sind leistungsstarke schalldämmende Fassadenkonstruktionen, die dafür sorgen, dass übermäßiger Luftschall nicht von innen nach außen abgegeben wird und zugleich die in den Industriehallen tätigen Menschen vor  lauten Außengeräuschen geschützt sind. 

Sandwichelemente, Stahlleichtbauelemente, Kassettenwände

Die klassischen Lösungen für Industriefassaden sind Sandwichelemente und Stahlleichtbauelemente, die von einschaligen, ungedämmten Trapezprofilen bis hin zu aufwendig konstruierten Kassettenwänden mit hohem Raumgewicht reichen. Vereinfacht dargestellt handelt es sich bei vorgefertigten Sandwichelementen um zwei Blechschalen, deren Hohlraum mit Dämmstoff – in der Regel Polyurethan-Hartschaum (PUR) oder Mineralwolle – ausgefüllt ist. Wandkassetten bestehen dagegen aus einem Stahlkassettenprofil (Nennblechdicke ≥ 0,75 mm) auf der Innenseite, das an Stahlträgern der Hallenkonstruktion zu befestigen ist. In die Stahlkassetten werden dann die Dämmstoffe als Platten oder Rollenware eingelegt. Anschließend montieren die Facharbeiter z. B. ein Stahltrapezblech (Nennblechdicke ≥ 0,63 mm) als vertikal verlegte Außenschale. 

Prüfungen bei der Materialprüfanstalt Braunschweig und beim Fraunhofer IBP Stuttgart zeigen, welche schallschutztechnischen Qualitäten die unterschiedlichen Konstruktionsweisen haben. 

Beispiele Schalldämmwerte gängiger Konstruktionen:

Wandkassetten-Dämmung
Bei Wandkassetten-Dämmsystemen mit sogenannter Stegüberdeckung kann man in einem Arbeitsgang den Zwischenraum zwischen der inneren und äußeren Schale dämmen und gleichzeitig die Kassettenstege mit 40 oder 80 mm Mineralwolle überdecken.                                                        
  • PUR-Sandwichelemente: Rw liegt bei circa 25 bis 26 dB 
  • Mineralwolle-Sandwichelemente: Rw liegt bei circa 28 bis 35 dB
  • Wandkassettensystem mit Mineralwolle und einer 40 mm starken Stegüberdeckung: Rw liegt bei bis zu 49 dB  
  • Wandkassettensystem mit Mineralwolle und einer  80 mm starken Stegüberdeckung: Rw liegt bei bis zu 51 dB

Bei der Betrachtung dieser Werte stellt sich eine grundsätzliche Frage: Warum schneiden Sandwichelemente mit einer Dämmung aus Mineralwolle deutlich schlechter ab als gleich starke Wandkassetten mit Mineralwolle-Einlage? Die Antwort liegt in der Konstruktionsweise und deren Zweck: Bei beiden Systemen hat man zwei Schalen, welche durch den Dämmstoff als weichem Federelement voneinander getrennt werden. Bei einem Sandwichelement hat der Dämmstoff neben der Aufgabe des Schall- und  Wärmeschutzes gleichzeitig aber auch noch eine tragende Funktion, sodass diese Feder zwischen den Stahlplatten fester ausgelegt ist. Die Folge ist, dass sich die Zweischaligkeit und somit auch die akustische Performance nicht so gut ausbilden kann. Diese unterschiedlichen schallschutztechnischen Qualitäten werden im Folgenden näher betrachtet. Verglichen werden der typische Verlauf der Einzahlangaben (bewertete Größen) für 80 bis 120 mm starke Mineralwolle-Sandwichelemente über verschiedene Frequenzbereiche hinweg mit den Schalldämmmaßen von zwei Stahlkassettenwänden in einer Dicke von 120 mm bzw. 160 mm.  Als Dämmung wurden Metac WF (ohne Stegüberdeckung) und Metac WS (mit Stegüberdeckung) von  ISOVER gewählt.

Schalldaemmkurve

Das schlechtere Abschneiden der Sandwichelemente ist unmittelbar ersichtlich. Aus akustischer Sicht schneidet das Wandkassettensystem mit 40 mm starker Stegüberdeckung in allen Frequenzbereichen besser ab als die klassische Stahlkassettendämmung ohne Stegüberdeckung. Das spiegelt sich auch in der Einzahlangabe nach DIN EN ISO 717 wider: 

  • 120er Wandkassette mit 160 mm Systemdämmung Metac WS-040 inkl. 40 mm Stegüberdeckung: 49 dB
  • 120er Wandkassette mit 120 mm Dämmung Metac WF-040 ohne Stegüberdeckung: 44 dB

An den Kurven sieht man zudem deutlich zwei Effekte, die bei zweischaligen Bauweisen auftreten: Einmal die Resonanz der Schalen im tieffrequenten Bereich, hier jeweils bei etwa 63 bis 80 Hz, also gut unterhalb der 100 Hz, ab der der normative Einzahlwert berechnet wird. Bei 2000 Hz sind deutlich die Eigenschwingungen der Stahlbleche zu erkennen, die sogenannten Koinzidenzen. Die unausgefüllten Quadrate in den Kurven kennzeichnen die Stellen, bei denen der Prüfstand der Prüfstelle an seine Grenzen kommt und man nicht mehr genau unterscheiden kann, ob der gemessene Schall aus dem Prüfobjekt oder vom Prüfstand im Empfangsraum gekommen ist. Dies betrifft hier insbesondere die Frequenzen zwischen 500 Hz und 1000 Hz sowie zwischen 3150 Hz  und 5000 Hz. Die unausgefüllten Quadrate stellen dabei immer den Mindestwert dar – bei dieser Frequenz konnte der Prüfstand also nicht besser messen. 

Bei den Sandwichelementen hingegen erkennt man deutlich die Resonanz bei 125 bis 160 Hz, also mitten im „kritischen“ Bereich, denn der für die Bauakustik üblicherweise zugrunde gelegte Frequenzbereich liegt bei 100 Hz bis 3.150 Hz. Der Anstieg entspricht eher dem eines massiven Bauteils. Die Koinzidenz tritt hier bei 2500 Hz auf, der Erwartungswert der Einzahlangaben liegt zwischen 30 und 35 dB.

Selbst die leistungsstarken 49 dB, die das System mit 40 mm starker Überdeckung erreicht, können noch weiter verbessert werden, wenn man das System „PLUS“ mit 80 mm Überdeckung wählt. In diesem Fall lässt sich sogar ein Schalldämmmaß von Rw 51 dB erzielen. 

Und der Brandschutz?

Neben dem deutlich besseren Abschneiden der gedämmten Wandkassettensysteme in puncto Schallschutz sprechen noch weitere Aspekte für diese Art der Fassadenkonstruktion gerade im Vergleich zu Sandwichelementen mit PUR-Füllung. Stichwort Brandschutz: Stahlkassettenwände verfügen über einen Dämmkern aus nichtbrennbarer Mineralwolle, zum Beispiel aus nachhaltig hergestellter Glaswolle der Euroklasse A1. Auch die Dämmung mit Mineralwolle mit einem Schmelzpunkt > 1.000 ºC ist problemlos möglich: ISOVER bietet für das erwähnte WS und WS-PLUS System auch eine Dämmung aus der Hochleistungs-Mineralwolle ULTIMATE an. 

Stegüberdeckung wirkt effektiv

Mit Wandkassetten-Dämmsystemen mit sogenannter Stegüberdeckung kann man in einem Arbeitsgang den Zwischenraum zwischen der inneren und äußeren Schale dämmen und gleichzeitig die Kassettenstege mit 40 oder 80 mm Mineralwolle überdecken. Hierfür sind die Dämmplatten oder -filze werkseitig mit einem seitlichen Einschnitt zur Aufnahme des Kassettengurtes versehen. Damit lassen sich die Auswirkungen der Stege als Schall- aber auch als Wärmebrücken äußerst effektiv reduzieren und Vorgaben bereits mit geringeren Dämmdicken erfüllen – ganz ohne Mehraufwand bei der Montage. 

Apropos Montage: Ein weiterer Vorteil liegt in der Flexibilität einiger dieser Systeme. So bietet ISOVER neben nichtbrennbaren Dämmplatten auch hochkomprimierte Rollenware für den Einsatz in Wandkassetten ein. Der Einbau gelingt damit besonders schnell und einfach, da in einem Arbeitsschritt je nach Dämmdicke bis zu 5 m Filz am Stück in die Kassette eingebracht werden kann. Die Rollenware nimmt im Vergleich zu Plattenware zudem nur rund die Hälfte an Platz ein. Damit passt nicht nur die doppelte Dämmmenge auf eine Palette – ein Vorteil der sich gerade bei beengten Platzverhältnissen auf der Baustelle auszahlt, sondern auch der Platz auf der Hebebühne wird effektiver ausgenutzt, was wiederum die Anzahl der Hebevorgänge auf die Hälfte reduzieren kann.

Wer also schon heute zukunftsfähige Industriebauten planen möchte, die für kurz- und mittelfristig zu erwartende neue Herausforderungen gewappnet sind, der sollte besonderes Augenmerk auf die Konstruktion der Außenwände legen. Der Markt hält Systeme bereit, die den optimalen Dreiklang aus maximalem Schallschutz, zuverlässigem Brandschutz und leistungsfähigem Wärmeschutz gewährleisten

Autoren

Dr.-Ing. Dipl.-Phys. Anatol Worch
Langjähriger Koordinator Bauphysik
SAINT-GOBAIN ISOVER G+H AG

Dipl.-Ing. (FH) Mark Wagner
Produktmanager Industriebau
SAINT-GOBAIN ISOVER G+H AG

Der Artikel ist in der industrieBAU, Ausgabe 03/2021 erschienen.